Die Städte Bochum und Gelsenkirchen suchten nach dem Ausstieg von Siemens & Halske nach einem neuen Großaktionär für ihren Straßenbahnbetrieb. Da passte es gut, dass sich ein Unternehmer um die Verkehrsbetriebe des Reviers bemühte: Hugo Stinnes.
Der im Februar 1870 in Mülheim an der Ruhr geborene Stinnes hatte seine Karriere als Kohlenkaufmann und Reeder begonnen. Er hatte früh die Bedeutung des Stromes im Ballungsraum zwischen Rhein und Ruhr erkannt.
Um die Jahreswende 1901/02 hatte sich Hugo Stinnes deshalb als Großaktionär des Rheinisch-Westfälischen Elektrizitätswerkes (RWE) engagiert. In den folgenden Jahren bauten er und „sein“ RWE durch Beteiligungen an Elektrizitätswerken auch den Einfluss bei den Nahverkehrsbetrieben aus. Langfristiges Ziel von Hugo Stinnes war ein gemeinschaftlich unter dem Dach des RWE organisierter Straßenbahnbetrieb für das gesamte Ruhrgebiet.
Im Jahr 1908 erwarb das RWE für 7,5 Millionen Mark 73 Prozent der Aktien der Bochum-Gelsenkirchener Straßenbahnen AG. Hugo Stinnes wurde zum Aufsichtsratsvorsitzenden der Straßenbahn bestellt.
Auch nach außen wurden die Veränderungen der Unternehmensführung der Straßenbahn sichtbar. Alle Linien erhielten Nummern, die auf großen runden Tafeln am Dach der Straßenbahnwagen befestigt wurden.
Im Gelsenkirchener Netz wurden die Linien wie folgt zugeteilt:
Linie 1: Schalker Markt – Wattenscheid – Bochum Hauptbahnhof
Linie 2: Gelsenkirchen – Bismarck – Erle – Buer – Horst
Linie 3: Gelsenkirchen Neumarkt – Bulmke – Hüllen – Eickel
Linie 4: Buer – Bismarck – Gelsenkirchen Neumarkt – Rotthausen – Kray – Bhf. Steele-Nord
Linie 5: Steele, Friedrichstraße – Spillenburg – Rellinghausen, Kaiserplatz
Linie 6: Pendelwagen Steele
Linie 7: Schalker Markt – Bahnhof Schalke Nord
In den Hauptverkehrszeiten verkehrten Einsatzwagen mit dem Zusatz „a“ – eine im Bochumer Netz nicht gebräuchliche Regelung.
Die einzige doppelt vergebene Bezeichnung war die Linie 7. Sie wurde sowohl für die Pendellinie in Schalke als auch für die von der Essener Straßenbahn betriebene Linie Gelsenkirchen – Kraspotshöhe – Katernberg genutzt.
VERWALTUNG IN ESSEN
Nach dem Tod von Herrmann Bachstein hatte das RWE 1908 nicht nur die Aktienmehrheit an der Bochum-Gelsenkirchener Straßenbahnen AG von der Centralverwaltung für Secundairbahnen übernommen. Auch die Süddeutsche Eisenbahn-Gesellschaft gehörte jetzt zum Konzern. Um Verwaltungskosten zu sparen, wurde 1911 die Verwaltung der Bochum-Gelsenkirchener Straßenbahnen AG von Bochum nach Essen verlegt. Damit wurden alle Verkehrsbetriebe des RWE nunmehr unter einem Dach geführt.
Synergien ergaben sich in den folgenden Jahren insbesondere aus gemeinsamen Fahrzeugbestellungen und gemeinsam genutzten Strecken.
Die Einnahmen der Straßenbahn stiegen in den Jahren vor dem Ersten Weltkrieg stetig: 1912 wurden beispielsweise auf der Strecke von Schalke über Gelsenkirchen und Wattenscheid nach Bochum 599.428,45 Mark eingenommen. 1913 waren es 645.987,10 Mark. In diesem Jahr fuhren die Wagen der Linien 1 und 1 a insgesamt 1.329.678,7 Kilometer.
Das folgende Bild zeigt die Bahnhofstraße im Jahr 1919. Besonders schön sind auf dieser Postkarte die 1907/08 eingeführten Liniennummern zu erkennen (Verlag Cramers Kunstanstalt, Dortmund – Sammlung Ludwig Schönefeld).