LINIE 32

Linie 32: Hatte es diese Liniennummer jemals in Gelsenkirchen gegeben? Nicht wirklich. Die „32“, um die es hier geht, war eine Essener Linie, speziell vorgesehen für den Messeverkehr. Da bei diesen Gelegenheiten auch Straßenbahnwagen aus den Nachbarstädten eingesetzt wurden, darunter immer wieder auch Gäste aus dem Betriebshof Gelsenkirchen, soll an dieser Stelle an diese ganz besondere Linie erinnert werden.

MESSESTADT ESSEN

Essen ist seit 1893 Messestadt. Damals wurde im städtischen Saalbau eine erste Gewerbeausstellung durchgeführt.

Die Keimzelle der heutigen Messe Essen GmbH wurde rund zwanzig Jahre später, am 21. April 1913 gegründet. Auf dem Platz vor der heutigen Grugahalle entstanden die ersten Messehallen.

1944 wurde die Infrastruktur der Messe Essen weitgehend zerstört. Als eine der ersten Publikumsmessen nach dem Wiederaufbau fand in der Zeit vom 8. bis 23. September 1951 die 1. Landesverkehrsausstellung „Schiene und Straße“ in Essen statt: Mit der „Verkehrs-Ausstellung des Landes Nordrhein-Westfalen“ wollte das 1946 durch die britische Militärregierung gegründete Bundesland seine Leistungsfähigkeit im Bereich der Fahrzeugindustrie belegen.

Für das Projekt konnte Essen ein passendes Ausstellungsgelände und die notwendige Infrastruktur anbieten. Mit KRUPP war ein weltweit bekannter Lokomotivhersteller in Essen zuhause. Zum Portfolio gehörten auch Lastwagen und Omnibusse. Im Nahverkehr hatte sich der Karrosseriebauer Gebrüder Ludewig mit Aufbauten für Omnibusse einen Namen gemacht.

PUBLIKUMSMAGNET

Die Ausstellung war ein Publikumsmagnet: Die Deutsche Bundesbahn beteiligte sich mit der aufgearbeiteten Schnellzug-Dampflokomotive 05 003, der Elektrolokomotive E 19 11 und dem Elektrotriebwagen ET 32 022. Die Fahrzeuge wurden am 6. September 1951 spektakulär mit Culemeyer-Straßenrollern zum Ausstellungsgelände gefahren. Zum Teil musste die Oberleitung der Straßenbahn angehoben werden, um kritische Kreuzungen im Stadtgebiet passierbar zu machen.

Auch die Verkehrsbetriebe des Ruhrgebiets beteiligten sich mit Exponaten. Die Bochum-Gelsenkirchener Straßenbahnen AG präsentierte ihren aus einem 1927 gelieferten Beiwagen neu aufgebauten Fahrschulwagen 186.

Nach dem spektakulären Auftakt – die erste Ausstellung wurde von über 270.000 Menschen besucht – dauerte es fast zehn Jahre, bis in der Zeit vom 10. bis zum 25. September 1960 die zweite Landesverkehrsausstellung „Schiene und Straße“ in Essen ausgerichtet wurde. Erneut war der Beitrag der Deutschen Bundesbahn mit dem TEE-Triebkopf VT 11 5018 und dem Akku-Triebwagen ETA 150 533 beeindruckend.

Weitere zehn Jahre vergingen bis zur 3. Landesverkehrsausstellung „Schiene und Straße“ in der Zeit vom 29. August bis 13. September 1970.

SCHIENE UND STRASSE 1975

Die vierte und letzte „Schiene und Straße“ fand vom 15. bis zum 23. März 1975 in Essen statt. Noch einmal brachte die Fahrzeugindustrie ihre Innovationen nach Essen. Moderne Intercity-Wagen warben für Komfort im Eisenbahnverkehr. Im Nahverkehrsbereich präsentierte MAN einen der Prototypen für den elektrischen Omnibusverkehr: Den Rheinbahn-Omnibus 9056.

Um den Zuschauerandrang bei Ausstellungen und anderen Großveranstaltungen zu bewältigen, war das Messegelände seit dem Wiederaufbau der Nachkriegszeit an das Netz der Essener Verkehrs AG angebunden: Vor der 1958 eingeweihten Gruga-Halle befand sich eine gut ausgebaute Wendeschleife. Sie wurde vom 4. Mai 1958 an bei Veranstaltungen auf dem Messegelände vom Hauptbahnhof aus über die Klarastraße angefahren.

SPEZIELLE BESCHILDERUNG

Nach der Bundesgartenschau im Jahr 1965 kam es letztmalig zur Ausstellung „Schiene und Straße“ im März 1975 zu einem umfangreichen Einsatz der Straßenbahn im Messeverkehr. Zum Einsatz kam dabei auch der Umbau-Gelenktriebwagen 205 der Bochum-Gelsenkirchener Straßenbahnen AG. Für seinen Gruga-Einsatz hatte man sogar ein spezielles Linienschild entworfen. Es zeigte neben dem Fahrtziel in der in Essen üblichen Negativschrift (weiss auf schwarz) auch die stilisierte Silouette der Gruga-Halle.

Die Essener Verkehrs AG (EVAG) präsentierte auf der Linie 32 den zur Erprobung von Komponenten für den Stadtbahnwagen „M / N“ umgebauten Düwag-Triebwagen 1615.

Aus Mülheim kamen der modernisierte Düwag-Gelenktriebwagen 254 sowie der gebraucht aus Stuttgart übernommene Zweiachser 807 und der passende Beiwagen 1523.

Das Titelbild zeigt den aus Gelsenkirchen ausgeliehenen Triebwagen 205 in der Schleife am Abend nach einem vermutlich langen Messetag vor der GRUGA-Halle. Im nachfolgenden Bild sehen wir den EVAG-Prototyp 1615 an gleicher Stelle (Fotos: Wolfgang Hilger – Sammlung Ludwig Schönefeld).

Mit der Eröffnung der U-Bahn in Essen war auch die Linie 32 Geschichte. Sie wurde am 28. Mai 1977 durch die Linie 11 ersetzt. Der Gelsenkirchener Gast, der Triebwagen 205, wurde aus dem Personenverkehr zurückgezogen. Als Partywagen „BOGIE“ kehrte sein A-Teil 1978 auf die Gleise zurück.