LINIE 3

1907 wurden bei den Bochum-Gelsenkirchener Strassenbahnen Liniennummern eingeführt. Der Verbindung von Gelsenkirchen zum Bahnhof Wanne wurde die Ziffer 3 zugeordnet.

Die als Beitragsbild verwendete Postkarte aus dem Jahr 1906 (Verlag Reinicke & Rubin, Magdeburg – Sammlung Ludwig Schönefeld) wurde im August 1906 von „Heinrich“, einem aus Westfalen nach Gelsenkirchen zugezogenen jungen Mann, nach der Ankunft in Gelsenkirchen an die in Lohfeld bei Löhne lebenden Eltern geschickt. Sein Zimmer liegt im zweiten Stockwerk des Eckhauses an der Abzweigung Hochstrasse / Wannerstrasse, vor dem soeben der 1895 gelieferte Siemens-Standardtriebwagen 11 aus Wanne angekommen ist.

ZUWANDERUNG

Heinrich ist einer der vielen Tausend Zuwanderer, die seit dem Beginn der Industrialisierung nach Gelsenkirchen kamen.

Wie stark die Zuwanderung war, verdeutlichen die folgenden Zahlen: 1895, als Siemens & Halske mit dem Bau des Gelsenkirchener Straßenbahnnetzes begann, hatte lebten im Stadtzentrum 31.635 Menschen. 1915 hatte das Stadtzentrum 42.896 Einwohner.

Bulmke wuchs in der gleichen Zeit von 7.622 Einwohnern auf 22.310. In Hüllen stieg die Zahl der Einwohner von 2.968 auf 9.669.

Wir wissen nicht, wo Heinrich eine Anstellung gefunden hat. Die Menschen, die nach Bulmke und Hüllen zogen, fanden zumeist eine Arbeit beim Schalker Verein.

SIEDLUNGSBAU

Die ersten Häuser und Wohnungen für die Beschäftigten des Schalker Vereins entstanden unmittelbar hinter der Gemeindegrenze von Bulmke und Hüllen an der damaligen Wilhelm-, Johanis-, Verein-, Industrie-, Neu- und Kirchstrasse. Bis auf die Wilhelmstrasse (heute Alemannenstraße) und die Kirchstrasse (heute Skagerrakstraße) existieren diese Straßen nicht mehr. Die Gebäude wurden nach Kriegszerstörung und Wiederaufbau Anfang der 1960er-Jahre abgebrochen, um die Nordexpansion des Schalker Vereins bis zur Trasse der nach Norden verschobenen Wanner Straße zu ermöglichen.

Auf den landwirtschaftlich genutzten Flächen im Osten der Gemeinde Hüllen entstanden ab 1875 weitere „Colonien“ für die stetig wachsende Zahl der von der Eisenhütte angeworbenen Arbeitskräfte. Eine erste Siedlung wurde zwischen 1875 und 1899 an der damaligen Coloniestrasse (heute Chattenstraße) errichtet. 1903 folgten weitere Gebäude zwischen der Coloniestrasse und der Bismarckstrasse (heute Bulmker Straße). Ab 1910 wurde schließlich an der Grenze nach Röhlinghausen die heutige Preußenstraße angelegt und mit ihr die bis an die Wannerstraße heranreichende, unter Denkmalschutz stehende „Ostpreußen-Siedlung“.

Damit rückte der Siedlungsbau nun auch an die Streckenführung der Straßenbahn. Während diese von den Gelsenkirchener Neubürgern kaum profitierte, ist anzunehmen, dass sich der „Kaiserhof“ über zahlreiche neue Gäste freuen konnte.

Die als Beitragsbild verwendete Postkarte, die auch coloriert angeboten wurde, birgt noch ein weiteres spannendes Detail: Ein Mitarbeiter der Straßenbahn ist damit beschäftigt, die Zunge der Einfahrtsweiche zum Betriebshof Gelsenkirchen zu reinigen. Ohne manuelle Nacharbeit an den Weichen war ein sicherer Straßenbahnverkehr bei den damals zumeist nur gewalzten Straßen nicht möglich.

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