NACH SPILLENBURG

Wenige Monate nach der Eröffnung der Steeler Linie führte Siemens & Halske die Straßenbahnstrecke von der Friedrichstrasse über die Berlinerstrasse zum Grendplatz und von dort über die Bredeneyer Strasse (ab 1936 Westfalenstraße) auf einer Länge von 1,18 Kilometern nach Westen fort.

Der neue Endpunkt war ein Uferbereich der Ruhr, der als „Spillenburg“ bezeichnet wurde.

Man könnte vermuten, dass die Namensgebung von einer mittelalterlichen Festung abgeleitet worden wäre. In diesem Fall war es nicht so. Vielmehr war „Spillenburg“ ein aus vorchristlicher Zeit abgeleiteter Name einer Höhle am nördlichen Ruhrufer. Ihr Eingang befindet sich in Höhe der heutigen Einmündung der Spillenburgstraße in die Westfalenstraße. Der Überlieferung nach sollen die Urbewohner des Ruhrgebiets an dieser Stelle der Göttin „Velleda“ gehuldigt haben.

Im Zusammenhang mit der Industriealisierung des Ruhrtals übernahmen um 1780 ein in Höhe der Höhle angelegtes Ruhrwehr sowie eine zu dieser Anlage gehörende Schleuse den historischen Namen. Die industriehistorisch wertvollen Anlagen stehen inzwischen unter Denkmalschutz.

ZORNIGE AMEISE

Deutlich bekannter als das Spillenburger Wehr war das in Höhe der Straßenbahn-Endstelle gelegene Ausflugslokal „Zornige Ameise“.

Auch die Ursprünge des Gastronomiebetriebs liegen im 18. Jahrhundert: 1778 eröffnete Kaspar Mann an der Spillenburg eine Glashütte. Als Nebenbetrieb gab es eine Brauerei. Die Brauerei entwickelte sich besser als die Glashütte. Kaspar Mann gab den Hüttenbetrieb auf und eröffnete stattdessen eine Gaststätte mit Biergarten, die sich alsbald zu einem vor allem im Sommer gern besuchten Ausflugsort von überörtlicher Bedeutung entwickelte.

Weder die Weltkriege noch das verheerende Hochwasser nach der Spregung der Möhnetalsperre im Mai 1943 gefährdeten den Fortbestand des beliebten Lokals. Als 1938 auf dem Gelände der Großen Ruhrländischen Gartenbau-Ausstellung (GRUGA) eine dampfbetriebene Parkeisenbahn errichtet wurde, benannte man die Züge nach bekannten Essener Ausflugsorten. Ein Zug erhielt den Namen „Zornige Ameise“.

Im Dezember 2021 musste die „Zornige Ameise“ schließen. Die Corona-Pandemie und das Ruhr-Hochwasser im Juli 2021 hatten dem Betrieb und dem Gebäude erheblich zugesetzt, so dass ein wirtschaftlich vertretbarer Fortbestand nicht gewährleistet werden konnte.

ERÖFFNUNG IM JUNI 1898

Die Straßenbahnstrecke von Steele nach Spillenburg wurde am 4. Juni 1898 eröffnet.

Sie verlief vom Grendplatz, den wir hier noch einmal auf einer 1921 gedruckten Postkarte aus dem Dortmunder Verlag Hermann Lorch sehen (Sammlung Ludwig Schönefeld), eingleisig, zumeist auf der südlichen Seite der Bredeneyer Straße. Ausweichen gab es in Höhe der heutigen Straße „Am Deimelsberg“, am Ruhrwehr in Höhe der heutigen Spillenburgstraße und an der Endstelle vor der Gaststätte „Zornige Ameise“.

Zum Einsatz kamen zunächst Pendelwagen. Einen dieser Wagen zeigt das vermutlich kurz nach der Eröffnung entstandene Postkartenmotiv aus dem Steeler Verlag Jacob Lenzen (Sammlung Ludwig Schönefeld). Der Triebwagen der Bochum-Gelsenkirchener Straßenbahnen AG fährt vom Grendplatz in Richtung Spillenburg.

Das nachfolgende Bild entstand einige Meter weiter westlich. Es zeigt die Bredeneyer Straße im Jahr 1919 (Verlag Cramers Kunstanstalt, Dortmund – Sammlung Ludwig Schönefeld). Gut erkennbar ist die Gleislage der Straßenbahn auf der südlichen Seite.

Das Gebäude auf der rechten Seite ist das Steeler Rathaus, links ist das Ladenlokal der Firma Flensberg zu erkennen, vor dem später eine zusätzliche Ausweiche angelegt wurde.

Links neben dem Rathaus ist über den Dächern der benachbarten Häuser der Steeler Stadtgarten zu erkennen. Die Aussichtsplattform mit Blick nach Westen ist bis heute ein beliebter Fotostandpunkt.

Anfang der 1920er-Jahren entstand an dieser Stelle die Vorlage für das nachfolgende Postkartenmotiv aus dem Dortmunder Verlag Hermann Lorch (Sammlung Ludwig Schönefeld). Der Blick des Fotografen fällt auf das Spillenburger Wehr im Hintergrund und die Bredeneyer Straße im Vordergrund. Auf ihr erkennen wir in der Vergrößerung hinter der Bebauung und etwas verdeckt durch den Baumbestand einen Straßenbahnwagen, der in Richtung Spillenburg oder Rellinghausen unterwegs sein könnte.