ZUR STADTHALLE

Ende des 19. Jahrhunderts reifte in Gelsenkirchen der Plan, für die Bürgerinnen und Bürger einen großzügigen Stadtpark anzulegen. Eine geeignete Fläche fand sich schnell: Der Landwirt August Schalke war bereit, seinen Hof für 110000 Mark an die Stadt Gelsenkirchen zu verkaufen, insgesamt fast drei Hektar. Darüber hinaus konnte ein weiteres, sogar fast vier Hektar großes Grundstück von der Witwe Strunck für rund 75000 Mark erworben werden.

Noch 1895 waren die Stadt und die Grundbesitzer handelseinig. Innerhalb von nur einem Jahr gelang es dem Gelsenkirchener Stadtgärtner Balkenholl, die Flächen zu roden und einen modernen Stadtpark anzulegen. Am 19. Februar 1897 beschlossen die Stadtverordneten, der Anlage zu Ehren von Kaiser Wilhelm I. den Namen „Kaiser-Wilhelm-Garten“ zu geben – rechtzeitig zu den Feierlichkeiten zum 100. Geburtstag des Kaisers am 22. März. Danach wurde der Park ohne große Feierlichkeiten für die Bevölkerung freigegeben.

Ab 1899 bereicherte die an der Nordseite des Kaiser-Wilhelm-Gartens errichtete Gelsenkirchener Stadthalle (Postkarte Verlag Gebrüder Moonen, Bocholt – Sammlung Ludwig Schönefeld) die Anlage. Sie wurde am 1. Juli 1899 feierlich mit einem Festessen für die Honorationen der Stadt eröffnet.

Der Große Saal der Stadthalle, der bis zu 1.000 Besucher aufnahm, wurde als Festsaal, Konzerthaus und Theater genutzt. Ein grundlegender Umbau erfolgte Anfang der 1930er-Jahre: Jetzt erhielt die Stadthalle ein neues Bühnenhaus. Mit einer Aufführung von Goethes „Egmont“ begann 1935 die erste Spielzeit als Stadttheater.

STICHSTRECKE DER STRASSENBAHN

Um den Besuchern der Abendveranstaltungen in der Stadthalle eine möglichst komfortable An- und Abreise zu ermöglichen, verband die Bochum-Gelsenkirchener Straßenbahnen AG den Bau ihrer Strecke vom Alten Markt über die Wilhelminen-Strasse nach Heßler mit der Anlage eines Stichgleises von der Wiese über die Essener-Strasse zum Bahnhof Schalke-Süd.

Am 7. Dezember 1911 war die Stichstrecke nach einem Bericht der Schalker Zeitung bis zur „Überführung vor der Stadthalle“ fertiggestellt.

Das erste Konzert, zu dem Sonderwagen der Straßenbahn eingesetzt wurden, fand am 16. Dezember 1911 statt. Mit dem nachfolgenden Artikel kündigte die Schalker Zeitung das Sinfoniekonzert an. Sie schreibt: „Nach Beendigung des Konzerts stehen Wagen der Straßenbahn in der Essenerstraße zur Verfügung“.

OHNE LINIENVERKEHR

Die Stichstrecke zur Stadthalle wurde über die gesamte Zeit ihres Bestehens nicht im Linienverkehr befahren. Die letzten Meter zur Stadthalle und zum Stadtpark mussten die Fahrgäste zu Fuß bewältigen. Die Staatsbahn ließ eine Kreuzung ihrer Gleise durch die Straßenbahn nicht zu.

Das Stadttheater wurde im Zweiten Weltkrieg schwer beschädigt. Mit einer spektakulären Sprengung des Bühnenhauses wurde das Gebäude schließlich abgebrochen. An seiner Stelle befindet sich heute die Tiefgarage eines Hotels und eines Residenz-Hochhauses.

Die Gleise der Straßenbahnstrecke zum Bahnhof Schalke-Süd in der Essenerstraße (heute teilweise Munckel- oder Feldmarkstraße) lagen noch bis Ende der 1950er-Jahre. Wir sehen sie auf einem Foto, dass Kurt Müller vermutlich 1959 im Zusammenhang mit dem Abbruch des letzten Hauses der ehemaligen Wilhelminenstraße an der Wiese aufnahm (Institut für Stadtgeschichte Gelsenkirchen).

Im Hintergrund des Bildes ist der Neubau des Musiktheaters zu sehen: ein prächtiger Nachfolger für das Theater am Stadtgarten.