ERZBAHN

Während die Straßenbahn in den Zentren der Ruhrgebietsstädte häufig fotografiert wurden, sind historische Aufnahmen von den städteverbindenden Strecken sehr selten. Zumeist entstanden solche Bilddokumente in besonderen Situationen oder aufgrund besonderer Ereignisse. Nicht selten sind es Zufälle, die dazu beitragen, dass die Motive wieder aufgefunden wurden und dann auch wieder gezeigt werden können.

Ein Beispiel dafür ist die hier gezeigte Aufnahme der Linie 4 auf der Wanner Straße, unmittelbar vor der Stadtgrenze nach Wanne-Eickel aus den thyssenkrupp Corporate Archives in Duisburg. Der Historiker Norbert Tempel fand das Motiv bei Recherchen zur Geschichte des Schalker Vereins auf einem unbeschrifteten Kontaktbogen eines Kleinbildfilms. Die Negative sind verschollen.

STRECKENUNTERBRUCH IM MAI 1960

Meine Recherchen ergaben, dass das Bild im Sommer 1960 im Zusammenhang mit Ertüchtigungsarbeiten an der Brücke der Anschlussbahn des Schalker Vereins entstanden. Sie führte seit Anfang der 1920er-Jahre vom Hafen Grimberg auf das Werksgelände und zur benachbarten Zeche Vereinigte Rheinelbe & Alma in Ückendorf. 1930 wurde ein Abzweig der Strecke von Ückendorf bis zum Hochofenwerk des Bochumer Vereins in Bochum-Hamme gebaut. Heute verläuft auf dem als „Erzbahn“ bekannten Bahndamm ein Radweg.

Die Arbeiten an der Brücke erforderten mehrfach eine Unterbrechung der Linie 4 und des Individualverkehrs. In mehreren Nächten war die Straße vollständig gesperrt. Darüber berichten die vom Verkehrsverein Gelsenkirchen herausgegebenen Gelsenkirchener Blätter in der Ausgabe vom 15. Mai 1960 (Institut für Stadtgeschichte Gelsenkirchen):

Der auf dem Beitragsbild fotografierte Triebwagen 95 steht westlich der Erzbahntrasse auf der Gelsenkirchener Seite. Rechts im Vordergrund ist das Ortseingangsschild zwischen Wanne-Eickel und Gelsenkirchen zu erkennen.

Die Bauarbeiten waren offensichtlich recht komplex. Die Fahrgäste konnten den Baustellenbereich – wie auf dem Bild zu sehen – nur über Holzstege überwinden.

RÄTSELHAFTE GLEISRESTE

Der Orientierung kann das nachfolgend gezeigte Luftbild dienen. Es wurde vermutlich 1962 aufgenommen (© RVR – 1957-1980 – dl-de/by-2-0).

Die Aufnahme wurde nach Westen ausgerichtet. Am oberen Bildrand ist die Kreuzung der Wanner Straße und der Konradstraße zu erkennen. Das Ensemble des ehemaligen Hotels „Kaiserhof“ an der Wanner Straße 328 wurde kurz zuvor abgebrochen. Am unteren Bildrand verläuft im Vordergrund die Trasse der Erzbahn. Parallel dazu ist die Anschlussbahn des Schalker Vereins zu erkennen, die nördlich der beiden Brückenzüge (im Bild rechts) an die Erzbahn und den am hellen Schotter erkennbaren Rangierbahnhof in Höhe des Wetterschachtes Pluto 5 angebunden ist.

Auf dem Luftbild ist auch der Verlauf des auf dem Beitragsbild links unter den Bäumen schwach erkennbaren Rangiergleises zu sehen. Es wurde vermutlich 1954/55 angelegt. Als das Luftbild aufgenommen wurde, war das Gleis, dessen Funktion aktuell nicht bekannt ist bereits stillgelegt: Die vom Lagerplatz des Schalker Vereins über die Wattenscheider Straße führende Brücke ist schon demontiert. Noch erkennbar ist, dass das Gleis die Erzbahn unterquerte. Das Gleisende lag unmittelbar vor dem Hüller Bach, dessen in Beton gefasstes Bachbett am unteren Rand des Luftbildes verläuft.