In den Verhandlungen mit der Stadt Gelsenkirchen zur Ablösung des „Heimfallrechtes“ hatte sich die Bochum-Gelsenkirchener Straßenbahnen AG verpflichtet, mehrere neue Straßenbahnlinien zu bauen: eine Straßenbahnlinie nach Heßler, eine Linie nach Horst, eine Linie in die Feldmark und eine Linie bis zur Stadtgrenze nach Günnigfeld.
Mit der Forderung, eine Linie von Gelsenkirchen nach Horst zu bauen, war kommunalpolitisches Kalkül verbunden: Indem die Strecke nur in die Horstermark führen sollte, nicht aber in das historisch gewachsene Zentrum der Gemeinde Horst, wollte man die Kaufkraft der Nordstern-Bergleute an Gelsenkirchen binden – eine Weichenstellung, die am 1. April 1928 die Zusammenlegung von Buer, Horst und Alt-Gelsenkirchen zur neuen Stadt Gelsenkirchen begünstigte.
ERÖFFNUNG IM OKTOBER 1911
1911 wurde mit dem Baubeginn der Straßenbahn von Gelsenkirchen nach Heßler die erste Zusage im Zusammenhang mit der Ablösung des Heimfallrechtes eingelöst. Die Bauarbeiten wurden zum Jahresbeginn aufgenommen.
Die neue Strecke führte vom Neumarkt über den Alten Markt zur Wilhelminen-Strasse. Dieser folgte die Trasse bis zur Schachtanlage Wilhelmine Victoria I / IV in Heßler. Dabei lag das Gleis überwiegend in der Straßenmitte.
Über die Heßler-Strasse wurde die neue Strecke zu ihrer vorläufigen Endstelle an der Ecke Heßler- / Kanzler-Strasse im Ortszentrum von Heßler geführt. Die hier zum Umsetzen der Beiwagen angelegte Ausweiche lag zwischen den Einmündungen der Moorkamp- und der Kanzler-Strasse.
Am 16. September 1911 konnten nach einem Bericht der Schalker Zeitung die ersten Probefahrten bis zur Wirtschaft Stallberg. Sie lag in Höhe der Schachtanlage Wilhelmine Victoria I / IV und befand sich hier im Haus Wilhelminen-Strasse 181.
Am 3. Oktober 1911 wurde ein Probebetrieb mit Personenbeförderung zwischen dem Neumarkt und Heßler aufgenommen. Drei Tage später, am 6. Oktober, wurde die Strecke von einem Vertreter des Regierungspräsidiums in Arnsberg offiziell abgenommen, so dass der fahrplanmäßige Betrieb vollständig durchgeführt werden konnte. Im Gelsenkirchener Straßenbahnnetz erhielt die neue Linie die Nummer 5.
FEHLENDE BILDDOKUMENTE
Fotos von der Streckenführung der Straßenbahn nach Heßler und Horst sind selten. Ein sehr frühes Zeitdokument ist die hier als Beitragsbild abgebildete Postkarte. Sie wurde am 30. April 1912 verschickt. Die Straßenbahnlinie war zu diesem Zeitpunkt gerade einmal ein halbes Jahr in Betrieb (Postkarte ohne Verlagsangabe – Sammlung Karlheinz Weichelt). Der Blick geht in Richtung Westen nach Heßler. Auf der rechten Straßenseite, verdeckt durch das Haus, sind die Einmündung der Overhofstraße und der damaligen Industrie-Strasse (heutige Franz-Bielefeld-Straße) zu erkennen.