NACH BISMARCK

Bereits einen Monat nach der Erteilung der Konzession – vermutlich im Januar 1894 – schloss Siemens & Halske mit der Firma Koehnen einen Vertrag über die Überlassung eines Grundstückes an der Hoch-Strasse (heute Hauptstraße). Dort sollte der Betriebs- und Bauhof für das Gelsenkirchener Netz entstehen.

Nachdem somit die Grundlagen für einen erfolgreichen Straßenbahnbetrieb gelegt waren, begannen die Planungsarbeiten. Der genaue Streckenverlauf der einzelnen Linien musste festgelegt, die erforderlichen Genehmigungen zur Kreuzung der Eisenbahnlinien von der inzwischen dafür zuständigen Königlichen Eisenbahndirektion in Köln eingeholt werden. Im Oktober 1894 erteilte der königliche Regierungspräsident in Arnsberg die Genehmigung zum Bau der konzessionierten Linien.

DIE ERSTE LINIE

Im November 1894 hatte Siemens & Halske im Landkreis Bochum die Strecke von Bochum nach Herne eröffnet. Im Frühjahr 1895 begannen im Landkreis Gelsenkirchen die Bauarbeiten für die Straßenbahn. Nach kurzer Bauzeit wurde am 3. November 1895 die erste Straßenbahnlinie in Gelsenkirchen die Strecke vom Stadtzentrum in die Gemeinde Braubauerschaft eröffnet.

Ausganspunkt der Strecke war eine Ausweiche in der Schul-Strasse vor der Propsteikirche St. Augustinus. Sie erhielt die Bezeichnung „Neumarkt“. Von der Schul-Strasse verlief die Trasse eingleisig über die Kreuz- und Hoch-Strasse bis zum Betriebshof. Unmittelbar vor dem Betriebshof befand sich in der Hoch-Strasse die erste Ausweiche. Sie wurde vor allem für Rangierfahrten, aber auch im Linienverkehr genutzt.

Vom Betriebshof führte der Linienweg über die Hoch-Strasse zum Stern und weiter bis zur Amtsgrenze zwischen Gelsenkirchen und der Braubauerschaft an der Emschertalbahn. Hier, vor dem Amtshaus (links im Bild), entstand aus Anlass der Eröffnung ein Erinnerungsfoto (Siemens Historical Institute).

Über die Bahnhof-Strasse (später Bismarckstraße) wurde die Straßenbahn weiter nach Norden geführt. An der Ausweiche „Roberg-Strasse“ – die Anlagen der Zeche Consolidation lagen damals noch nicht unmmittelbar an der Straße – entstand am Eröffnungstag das Titelbild dieses Kapitels (Siemens Historical Institute).

Die mit einem Umfahrungsgleis ausgestattete Endstelle befand sich vor dem Bahnhofshotel am Bahnhof Bismarck, etwa in Höhe der Einmündung der heutigen Albenhausenstraße. Auch hier nahm der von Siemens beauftragte Fotograf die am Eröffnungstag eingesetzten Triebwagen 6 und 46 auf (Siemens Historical Institute):

Das Gleis lag stadtauswärts durchgehend auf der östlichen, stadtauswärts rechten Seite. Kurz vor der Endstelle schwenkte es auf die westliche Seite. Ausweichen gab es in Höhe der Graben-Strasse, an der Roberg-Strasse und an der Endstelle. Die Streckenlänge betrug 3,4 Kilometer.

In Gelsenkirchen war die Eröffnung der Straßenbahn ein großes Ereignis. Trotz des „Schmuddelwetters“ waren die Trieb- und Beiwagen der Bahn dicht besetzt.

BRAUBAUERSCHAFT / BISMARCK

Die Endstelle die Straßenbahn wurde von Anfang an wie der Bahnhof als „Bismarck“ bezeichnet. Die Benennung der Station ging auf mehrere Schachtanlagen im Gemeindegebiet der Braubauerschaft zurück, aus denen 1868 die „Gewerkschaft des Steinkohlenbergwerks Graf Bismarck“ entstanden war.

Die Zeche und die wachsenden Siedlungen der Bergarbeiter beflügelten die wirtschaftliche Entwicklung der Braubauerschaft. Zugleich war der Bergbau für den Ort identitätsstiftend. Das führte dazu, dass die Braubauerschaft mit Wirkung vom 6. Februar 1900 den Namen „Bismarck“ annahm. Als die Gemeinde am 1. April 1903 Teil der Großstadt Gelsenkirchen wurde, blieb der Name „Bismarck“ als Bezeichnung des Stadtteils erhalten.