EIN NEUER BAHNHOF

In Gelsenkirchen war allen Verantwortlichen klar, dass für die Weiterentwicklung zur Großstadt ein neuer Bahnhof erforderlich sein würde. Der alte Bahnhof der Cöln-Mindener Bahn war den steigenden Verkehrsbedürfnissen der Stadt Gelsenkirchen kaum noch gewachsen.

Das 1847 durch die Cöln-Mindener-Eisenbahn in Betrieb genommene Stationsgebäude aus Holzfachwerk wurde 1859 durch einen deutlich größeren Neubau in Ziegelbauweise ersetzt. Dieser genügte den Anforderungen trotz mehrfacher Anbauten nicht mehr: Bei der Eröffnung der Bahn hatte das Dorf Gelsenkirchen gerade einmal 1.000 Einwohner. 1900 gab es 36.469 Bürgerinnen und Bürger. Im Jahr 1903, nach der Eingemeindung von Schalke, Heßler, Bismarck, Bulmke, Hüllen und Ückendorf lebten 138.648 Menschen in Gelsenkirchen, 1928 waren es 332.233.

Vor diesem Hintergrund entschloss sich die Stadtverwaltung, die Bahntrasse der Cöln-Mindener-Bahn um fünf Meter anzuheben, alle Gleisanlagen zu erneuern sowie ein neues Bahnhofsgebäude mit repräsentativem Umfeld zu errichten. Die Wilhelminenbahn sollte durch eine neue Linienführung ersetzt werden.

VORARBEITEN UND BAU


Mit der Eröffnung einer neuen Verbindungsbahn von der Westseite des Gelsenkirchner Bahnhofs über Schalke-Süd nach Heßler wurde am 1. April 1897 die Einstellung der Wilhelminenbahn eingeleitet.

Im Dezember 1897 waren die Pläne für den neuen Bahnhof fertiggestellt, sodass die landespolizeiliche Prüfung erfolgen konnte. Das Preußische Eisenbahnministerium in Berlin stellte für den Bau der Gesamtanlage, der am Ende rund sechs Millionen Mark kosten sollte, einen Zuschuss in Höhe von zwei Millionen Mark in Aussicht. Von der Stadt wurde eine Beteiligung in Höhe von 200000 Mark erwartet. Diese Mittel sollten nach Informationen der Emscher Zeitung insbesondere auch für den Aufkauf der Trasse der Wilhelminenbahn eingesetzt werden.

1899 wurden die ersten konkreten Schritte zum Bau des neuen Bahnhofes unternommen: Die mit dem Projekt betraute Bauabteilung bezog ein eigenes Büro an der Flora-Strasse 82. Die ersten Umbau- und Hebungsarbeiten sollten im Oktober 1900 erfolgen. Aufgrund des starken Güterverkehrs auf der Cöln-Mindener Eisenbahn musste die Aufnahme der Hauptarbeiten an den Gleisen und Bahnsteigen dann doch noch bis zum April 1901 warten.

Nach umfangreichen vorbereitenden Erdarbeiten konnte die Bahnanlage zwischen Februar und Juni 1904 in mehreren Schritten höhergelegt. Im Sommer 1904 war die neue Unterführung von der Bahnhof-Strasse zur Bochumer-Strasse fertiggestellt. Parallel zu den Hebearbeiten wurde am neuen Gelsenkirchener Bahnhofsgebäude gearbeitet.

ABSCHIED VOM SCHACHTELBAHNHOF


Am 15. Juli 1904 wurde der alte Gelsenkirchener Bahnhof stillgelegt. Aufgrund seiner zahlreichen Um- und Anbauten hatte ihn der Volksmund als „Schachtelbahnhof“ bezeichnet.

Einen Tag später, am 16. Juli 1904 fuhren die letzten Züge auf der Wilhelminenbahn. Alle Gebäude des alten Bahnhofs und die Gleise der Wilhelminenbahn wurden kurz darauf abgebrochen. Vom 8. August an wurde der Bahnhofsvorplatz aufgrund der jetzt in größter Eile auszuführenden Arbeiten für jeglichen Verkehr gesperrt.

Auf dem Gelände des alten Bahnhofs entstand eine neue Gleisanlage für die unmittelbar an den alten Bahnhof angrenzende Zeche Hibernia. Wir sehen die Schachtanlage und die Gleisanlage auf der nachfolgenden, allerdings erst 1924 gelaufenen Postkarte (Verlag I.W.B. – Sammlung Ludwig Schönefeld). Die Trasse der Wilhelminenbahn wurde mit dem Bahnhofsvorplatz und der neu angelegten Dickamp-Strasse überbaut.