KLEINGELDMANGEL

Die erste Sorge der Verkehrsbetriebe in Deutschland war nach dem Krieg die Wiederherstellung der durch Artilleriebeschuss, Fliegerbomben und Sprengungen zerstörten Infrastruktur. Darüber hinaus mussten die noch brauchbaren, aber durch das Kriegsgeschehen beschädigten Trieb- und Beiwagen repariert werden.

Gleichzeitig stieg das Mobilitätsbedürfnis der Bevölkerung: Einerseits, um von weniger zerstörten, als Notunterkunft bei Verwandten und Bekannten genutzten Wohnungen und Gebäuden die Arbeitsstelle oder die Innenstädte zu erreichen. Andererseits, um zum Teil über weite Entfernungen von der Stadt zu den Bauern aufs Land (und zurück) zu fahren, um Lebensmittel zu organisieren.

Ein aus Remscheid stammender, inzwischen hochbetagter Pensionär berichtete mir im August 2023 von Fahrten mit der Straßenbahn von Remscheid über Wuppertal, Steele und Gelsenkirchen nach Dorsten, die er als Kind erlebte. Die Eltern tauschten bei diesen Gelegenheiten Werkzeuge, insbesondere Präzisionssägen, aus Remscheid gegen Lebensmittel aus Dorsten.

Im Vergleich zu 1938 stiegen die monatlichen Fahrten im Streckennetz der Bochum-Gelsenkirchener Straßenbahnen AG um rund 400 Prozent auf 10,5 Millionen Fahrten pro Monat im November 1947. Rund 225.000 Fahrgäste pro Tag, 76 Prozent der täglichen Kunden, waren Barzahler.

KEINE WECHSELMÜNZEN

Das hohe Fahrgastaufkommen war jedoch nicht das einzige Problem der Verkehrsbetriebe: Den Schaffner gingen beim Fahrscheinverkauf die Wechselmünzen aus. Ein wesentlicher Grund dafür war, dass die Menschen den gedruckten Banknoten und den zunehmend in Umlauf gebrachten Ersatzzahlungsmitteln, etwa den Militär-Banknoten der Besatzungsmächte, nicht trauten.

In der 1965 erschienen Publikation „Das Papiergeld im Deutschen Reich – 1871-1945“ erklärte das Autorenteam der Deutschen Bundesbank das Phänomen wie folgt:

„Auf Grund der Erfahrungen bei der Währungsneuordnung 1924 und der Geldmaßnahmen verschiedener Länder wurden die Münzen nach Kriegsende in der Hoffnung auf eine bevorzugte Behandlung bei einer kommenden Währungsreform gehortet. Verlautbarungen deutscher und alliierter Stellen, dass Münzen nicht besser als andere Zahlungsmittel behandelt würden, hatten keine Wirkung. Auch der massive, sich auf Schleichwegen vollziehende Abfluss deutscher Scheidemünzen nach Österreich und dem Saarland, wo sie nach den dort durchgeführten Währungsumstellungen zunächst weiter kursfähig blieben und eine größere Kaufkraft besaßen, trug zur Verschärfung der Münzknappheit bei.“

Die Verkehrsbetriebe waren von der Situation in ganz besonderer Weise betroffen. Sie mussten nach Lösungen suchen, um den Straßenbahn- und Omnibusbetrieb auch unter kaufmännischen Aspekten in geregelter Weise weiterzuführen.