BETRIEBSHOF LEIMGARD

Als zweiter Stützpunkt der Gelsenkirchener Strassenbahnen entstand mit dem Bau der Strecke von Gelsenkirchen über Rotthausen, Kray und Steele der Betriebshof Leimgard an der damaligen Krayer Strasse. Zeitweise wurde der Betriebshof auch als „Betriebshof Rotthausen“ bezeichnet.

Heute liegt das Grundstück an der Rotthauser Straße 142 und auf Essener Stadtgebiet. 1896/97 gehörte die Parzelle zur Gemarkung Rotthausen. Am 1. Januar 1924 wurde das Grundstück der Stadt Essen zugeordnet.

Die Bauarbeiten für den neuen Betriebshof wurden 1899 aufgenommen. Ursprünglich bestand das 1902 in Betrieb genommene Ensemble aus zwei jeweils dreiständigen Hallen. Die vermutlich in Holzfachwerk erstellten Seitenwände waren mit Ziegeln ausgemauert. Auch das mit zwei Längsgiebeln und kleinen Lichtgauben ausgestattete Dach ruhte auf einem Trägerwerk aus Holz.

AUSBAU 1915

1915 wurde der Bochumer Architekt Carl Pinnenkamp (1872 – 1955) mit der Planung einer weiteren, auf der Nordseite an die bestehenden Gebäude angrenzenden Halle beauftragt. Er hatte bereits 1913 im Auftrag der Bochum-Gelsenkirchener Straßenbahnen AG den Betriebshof für die Hattinger Kreisbahnen geplant.

Pinnenkamps Pläne für die „Wagenhalle Rotthausen“ wurden am 10. Juli 1915 von der Aufsichtsbehörde genehmigt. Die Fassade und die Außenwände wurden als Eisenfachwerk mit Ziegelausmauerung erstellt. Anstelle von Fenstern wurde ein Teil der Wandflächen mit Glasbausteinen ausgestattet. Um die sieben Gleise der 27 Meter breiten und 43 Meter langen Halle ohne störende Stützen überspannen zu können, wurde das Tragwerk des Satteldaches aus Eisenprofilen erstellt.

Zwischen den Stegzementdielen des Daches sorgten neun Dachlichter tagsüber für eine gute Ausleuchtung. Für das Personal war darüber hinaus auch die Unterkellerung aller Gleise sehr hilfreich. Damit konnten Wartungsarbeiten am Fahrzeugboden gut ausgeführt werden.

Mit der Bauausführung wurde die Deutsch-Luxemburgische Bergwerks- und Hütten-AG in Dortmund-Hombruch beauftragt. Sie gehörte wie die Bochum-Gelsenkirchener Straßenbahnen AG zum Stinnes-Konzern. Die Gesamtkosten lagen bei 82.000 Reichsmark.

Das Luftbild zeigt die Gesamtanlage des Betriebshofes in den 1920er-Jahren (© RVR – 1925-1930 – dl-de/by-2-0). Neben den zwei südlichen Hallen sind weitere Aufstellgleise erkennbar. Am oberen Bildrand verläuft der Schwarzbach, links die Rotthauser Straße.

BESONDERE AUFGABEN

Die Bochum-Gelsenkirchener Straßenbahnen AG nutzte den Betriebshof anfangs für das Steeler Netz. Besondere Aufgaben ergaben sich ab 1924 im Zusammenhang mit dem zweiten Ausbau des Gelsenkirchener Betriebshofes. Zahlreiche, üblicherweise in Gelsenkirchen stationierte Fahrzeuge, wurden jetzt im Betriebshof Leimgard abgestellt. Darunter auch die im Gemeinschaftsverkehr eingesetzten Triebwagen der Westfälischen Straßenbahn.

So entstand die einzige bisher bekannte Innenaufnahme der Wagenhalle. Rechts im Bild sehen wir den im Gemeinschaftsverkehr eingesetzten Triebwagen 215 der Westfälischen Straßenbahn (Falkenried 1907). Links sind eine Reihe von Altfahrzeugen abgestellt, die zu diesem Zeitpunkt bereits als Arbeitswagen genutzt wurden, darunter (v.l.) Triebwagen 28 (Herbrand 1896, ATW 628), der offene Güterwagen 461 (Baujahr 1921, ABW 729), Triebwagen 43 (Herbrand 1896, ATW 643) und auf dem vierten Gleis Triebwagen 129 (Weyer 1901, ATW 629). Das nördliche Gleis wurde mittels einer Bretterwand von der Wagenhalle getrennt. Vermutlich wurden hier umfangreichere Wartungsarbeiten erledigt (Unbekannter Fotograf – Sammlung Günter Stetza).

ÜBERNAHME

Am 1. April 1932 übernahm die Süddeutsche Eisenbahn-Gesellschaft mit dem Kauf der Strecke von Rotthausen über Kray nach Steele auch den Betriebshof Leimgard. Für 600.000 Reichsmark wechselten die in Essen-Steele liegenden Bahnanlagen und die dazugehörigen Grundstücke die Eigentümerin.

Der Betriebshof Leimgard wurde zunächst als Außenstelle des Essener Betriebshofes Schonnebeck geführt. Die im Luftbild noch erkennbaren dreiständigen Hallen aus dem Jahr 1902 wurden 1936 abgebrochen. 1937 wurde der Standort für den Personenverkehr aufgegeben. Die verbliebene Halle und die Freiflächen nutzte die Süddeutsche Eisenbahn-Gesellschaft danach noch einige Jahre als Stellplatz für Einsatzwagen und als Baulager.

STAHLBAU

In der unmittelbaren Nachkriegszeit wurde der Betriebshof als Stützpunkt bei der Neuaufnahme des Straßenbahnbetriebs zwischen Gelsenkirchen und der Eisenbahnüberführung am Bahnhof Kray-Nord genutzt. Endgültig stillgelegt wurde die Anlage am 7. Mai 1961 – zeitgleich mit der Einstellung des Straßenbahnbetriebs zwischen Kray und der Stadtgrenze nach Gelsenkirchen.

Die ehemalige Wagenhalle und das Grundstück wurden von einem lokalen Stahlbaubetrieb übernommen. Als Folge von Bergsenkungen und Straßenbau liegt die Halle heute weit unter dem Niveau der Rotthauser Straße. Die tragende Struktur des Gebäudes, eine in Eisenbeton verankerte Dreigelenkbogenbinderkonstruktion, und das Dach sind bis heute erhalten. Ersetzt wurden demgegenüber die Seitenwände und die Fassade.

Auf der Fläche der zwei dreiständigen Wagenhallen von 1902 entstand ein Neubau, sodass sich der ehemalige Betriebshof heute im Luftbild fast wie in den 1920er-Jahren präsentiert.

Der nachfolgende Slider zeigt neben einem neueren Luftbild weitere historische Aufnahmen. Sie wurden wie das Beitragsbild 1939 im Zusammenhang mit der Regulierung des Schwarzbaches für die Emschergenossenschaft aufgenommen (Archiv Emschergenossenschaft / Lippeverband – Sammlung Heimatbund Gelsenkirchen).

Auf dem Beitragsbild ist neben dem Betriebshof auch der Bahnhof der Zeche Bonifacius gut zu erkennen. Im Hintergrund erhebt sich mit einer Höhe von 83 Metern der Mechtenberg. Auf seinem höchsten Punkt ließ der Bismarck-Verein Gelsenkirchen einen Bismarckturm errichten. Er wurde am 29. Juli 1900 eingeweiht.

  • Im Juni 1939 wurden die Spundwände für die Kanalisation des Schwarzbaches in Kray gesetzt.
    Archiv Emschergenossenschaft / Lippeverband - Sammlung Heimatbund Gelsenkirchen