BAHNHOFSTRASSE

1911 wurde mit dem doppelgleisigen Ausbau der Innenstadtstrecken zwischen Schalke und Ückendorf begonnen. Im Zentrum dieses Großprojektes stand die Bahnhofstrasse. Das Beitragsbild zeigt sie noch im ursprünglichen Zustand (Verlag Ottmar Zieher, München – Sammlung Ludwig Schönefeld).

In einem ersten Bauabschnitt wurde die Flora-Strasse zwischen dem Abzweig von der Schalker-Strasse bis zum Alten Markt doppelgleisig ausgebaut. Die Arbeiten wurden am 22. Mai 1911 aufgenommen. Die Straße wurde dafür vom 24. Mai an vollständig für den Verkehr gesperrt. Erst am 17. November 1911 wurde die Sperrung aufgehoben. Zu Verzögerungen führten insbesondere die Verbreiterung der Einmündung der Flora- in die Schalker-Strasse und die Pflasterung der Florastrasse auf dem nicht von der Straßenbahn genutzten Teilstück am Kaiserplatz.

Daran anschließend erfolgte der zweigleisige Ausbau der Bank-Strasse (heute Ebertstraße) zwischen der Wiese und der Einmündung der Kreuz-Strasse. Hier begannen die Arbeiten am 17. Juli.

Für diese Bauabschnitte wurde eine klassische Bauweise gewählt: Die Gleise wurden auf Beton verlegt. Anschließend wurden die Straßen mit Basalt- und Granitpflaster befestigt.

KLÖTZGENGASSE

In der Bahnhofstrasse wollte man es besonders gut machen – modern und umweltverträglich. So wählten Stadt und Straßenbahn für die Pflasterung der Bahnhof-Strasse anstelle der herkömmlichen Bauweise hochwertiges Industrieparkett, das zur damaligen Zeit auch in den Hallen der Gelsenkirchener Schwerindustrie zum Einsatz kam. Das aus der Steiermark bezogene Lärchenholz sollte den Lärm von Pferdefuhrwerken und den mit Vollgummi bereiften frühen Kraftfahrzeugen mindern. Als Unterbau wurde Beton verwendet.

Die Arbeiten für den doppelgleisigen Ausbau und die Neupflasterung begannen Anfang August. Ab dem 9. August 1911 war die Bahnhof-Strasse für jeglichen Verkehr gesperrt. Der Verkehr der Straßenbahn wurde, wie die Schalker Zeitung am 5. September schrieb, „durch Umsteigen aufrechterhalten“.

Die Gelsenkirchener beobachteten die Pflasterung mit Holz von Anfang an mit Argwohn. Schon während der Bauarbeiten gaben Sie der Bahnhofstraße den Spitznamen „Klötzgengasse“.

MARKT-STRASSE

Im Zusammenhang mit dem doppelgleisigen Ausbau der Bahnhofstraße plante man auch die Aufgabe der bisher eingleisigen Innenstadtstrecken in der südwestlichen Hoch-Strasse sowie in der Neu- und Carl-Strasse. Dazu hatte man eine alternative zweigleisige Trassenführung von der Hoch-Strasse über Schalker-Strasse (heute Hansemannstraße) und die Markt-Strasse (heute Von-Oven-Strasse) zur Bank-Strasse (heute Ebertstraße) vorgesehen. Am alten Markt sollte ein doppelgleisiges Dreieck als Anschluss an die Gleise in der Bank-Strasse entstehen.

In diesem Bauabschnitt wurden die Erdarbeiten am 4. September 1911 aufgenommen. Am 11. November 1911 wurden die Straßen nach der Neupflasterung wieder freigegeben.

FEIERLICHE ERÖFFNUNG

Am 12. November 1911 waren in allen Bauabschnitten die Arbeiten beendet. Die für die Zeit der Bauarbeiten getrennten Straßenbahnlinien konnten jetzt wieder durchgehend, aber auf neuen Wegen durch die Innenstadt fahren.

Auch die Gelsenkirchener Bürgerinnen und Bürger konnten aufatmen: Mehr als ein halbes Jahr hatten sie unter den Bauarbeiten gelitten. Nicht nur, dass der Fuhrverkehr während der Bauarbeiten untersagt war. Zum Teil durften die Straßen auch mit Kinderwagen nicht benutzt werden.

Einen Tag später wurde der Abschluss der Bauarbeiten von der Kommunalpolitik gefeiert. Darüber berichtete die Schalker Zeitung ausführlich am 13. November:

„Am Samstagnachmittag wurde die umgebaute Bahnhofstraße dem Verkehr wieder übergeben. Die dortigen Anwohner hatten hatten ihrer Freude durch teilweise Beflaggung der Häuser Ausdruck gegeben und die Stadtverwaltung feierte das langersehnte Ereignis durch eine Festfahrt, die in mit Tannengrün und Fahnen geschmückten Wagen vom alten Markt bis zum Bahnhof ging, wozu sich, außer den in Betracht kommenden Kommissionen zur Teilnahme, eine große Menge Schaulustiger eingefunden hatte.“

Nach der Festfahrt traf man sich im „Berliner Hof“. Oberbürgermeister Theodor Machens (1861 – 1932) bedankte sich bei den Bürgern und allen Beteiligten:

„Jetzt sind wieder zwei bedeutsame Werke vollendet worden, der Umbau der Bahnhofstraße und die organische Zusammenfassung des Straßenbahnnetzes. … Wieviel Herzen haben den Tag der Fertigstellung des Straßenbaus herbeigesehnt, wieviele freundliche Wünsche und Seufzer der Bevölkerung sind an mein Ohr gedrungen, dem Chaos während der Bauausführung eine schnelles Ende zu bereiten!“

STILLEGUNG DER ALTSTADTSTRECKEN

Im Anschluss an den Ausbau der Bahnhofstrasse wurden dann auch die prekären Verkehrsverhältnisse in der Altstadt entschärft. Die eingleisigen Strecken in der Neu- und Kirch- und Karl-Strasse wurden aufgegeben. Die Genehmigung zur Einstellung des Straßenbahnverkehrs auf diesen Strecken wurde im November 1911 durch den Regierungspräsidenten in Arnsberg erteilt. Am 30. November 1911 wurde der Endscheid durch den Oberbürgermeister unter anderem in der Schalker Zeitung publiziert.

DOPPELGLEISIGER AUSBAU NACH BISMARCK

Zeitgleich genehmigte die Aufsichtsbehörde den doppelgleisigen Ausbau der Straßenbahnstrecken von Gelsenkirchen bis Bismarck. Vom 2. Dezember 1911 an lagen die Pläne für 14 Tage öffentlich aus.

Der Streckenausbau wurde ab 1912 vorangetrieben. Jetzt wurden auch die Trassen in der Hoch-, Bismarck- und Wanner-Strasse durch den Einbau eines zweiten Gleises leistungsfähiger.

Einmal mehr veränderten sich die Gleisanlagen in der Innenstadt. Die Details dazu entnehmen Sie bitte dem Plan, der jetzt die Gleisanlagen zu Beginn der 1920er-Jahre darstellt (© RVR – 1925-1930 – dl-de/by-2-0).


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