AM SCHLEUSENGRABEN

In alter Zeit führte der Hauptlauf der Emscher mitten durch das Zentrum von Horst. Ein weiterer Arm des Flusses, die Kleine Emscher, bildete im Süden die Grenze nach Heßler. Das im Norden an die Kleine Emscher angrenzende Gelände wurde zunächst als Horster Mark, dann als Horstermark und zuletzt als Horst-Süd bezeichnet.

Seit Jahrhunderten wurde die Horstermark immer wieder von Hochwasser heimgesucht. Um das Gebiet zu schützen, wurden östlich von Horst eine Schleuse und ein durch die Mark führender Entwässerungsgraben angelegt. Dieser mündete in Höhe der durch die Emscher gebildeten Grenze nach Karnap wieder in den Fluss.

Von diesen Maßnahmen profitierte insbesondere die Schachtanlage Blücher, die 1858 einen neuen Schacht I in der Horster Mark abteufte. Nachdem die Arbeiten 1860 aufgrund der Insolvenz der Bergwerksgesellschaft zum Erliegen kamen, wurden sie ab 1866 durch die neu gegründete Gewerkschaft Nordstern fortgesetzt. 1868 nahm sie die Förderung auf.

Im Lauf der Zeit wurde der anfangs schmale Graben verbreitert und eingedeicht. Der nunmehr als „Schleusengraben“ bezeichnete Kanal konnte die mit Starkregen und Hochwasser verbundenen Gefahren eindämmen. Dennoch kam es 1893 und 1904 erneut zu verheerenden Überflutungen.

Die in diesem Kapitel als Titelbild verwendete Postkarte zeigt den Schleusengraben im Zustand von 1902/03. Im Hintergrund ist der Bahnhof Horst Emscher Süd zu erkennen (Verlag M. Kaufhold, Horstermark – Sammlung Claus Sybrecht).

EMSCHERGENOSSENSCHAFT

Die am 14. Dezember 1899 gegründete Emschergenossenschaft hatte die Aufgabe, den Wasserabfluss im nördlichen Ruhrgebiet zu regulieren. Mit der Kanalisierung des Flusses und seiner Zuläufe sollte für die Gemeinden auch ein besserer Hochwasserschutz gewährleistet werden.

Dies war dringend notwendig – auch aufgrund der im Umfeld der Zeche Nordstern bereits früh einsetzenden Bergsenkungen. Besonders stark wurde der Stadtteil am 5. und 6. Februar 1909 in Mitleidenschaft gezogen. Betroffen waren damals die Victoria- und die Franz-Strasse und dort vor allem die Häuser, die der am 21. Juni 1896 als Genossenschaft gegründete Bau-Verein in unmittelbarer Nähe des Schleusengrabens errichtet hatte.

Nachdem die Emscher im Zusammenhang mit dem Neubau des Rhein-Herne-Kanals im Süden der Schachtanlage Nordstern als offener Kanal neu gefasst worden war, beantragte die Emscherkommission bei der Amts- und Gemeindeverwaltung Horst die Verfüllung des Schleusengrabens, um das Gelände für den Ausbau der städtischen Infrastruktur in Horst-Süd zu erschließen.

Die politischen Gremien lehnten dies mehrfach ab: sowohl am 11. April 1910 als auch am 20. Dezember 1912 scheiterten die Anträge in der Amts- und Gemeindevertretung. Stattdessen genehmigte man am 17. April 1912 den Bau einer neuen Fußgängerbrücke über den Schleusengraben. Nach dem Hochwasser von 1909 war die Angst vor einer erneuten Katastrophe zu tief im kollektiven Bewusstsein verwurzelt.

VERFÜLLUNG DES SCHLEUSENGRABENS

Im Verlauf des Jahre 1912 veränderte sich die Haltung der Kommunalpolitik. Im August 1912 wurde in der Amts- und Gemeindevertretung erstmals über eine neue Straße anstelle des Schleusengrabens diskutiert. Bis der Graben tatsächlich verfüllt und das Gebiet städtebaulich überplant werden konnte, waren gleichwohl langwierige Verhandlungen mit den Eigentümern der in die Planung einbezogenen Grundstücke notwendig.

Im Frühjahr 1915 konnte die Verfüllung des Schleusengrabens schließlich abgeschlossen werden. Am 1. Juli 1915 wurde die Vergabe der Abbrucharbeiten für die überflüssig gewordene Brücke in Höhe der Wilhelm-Straße (heute Strundenstraße) in der Gelsenkirchener Zeitung ausgeschrieben. Es dauerte gleichwohl noch Jahre, bis anstelle des ehemaligen Schleusengrabens die heutige Kranefeldstraße angelegt wurde.

EINE NEUE APOTHEKE FÜR DIE HORSTERMARK

Zu den in der Aufbruchzeit nach der Jahrhundertwende in der Horstermark errichteten Neubauten gehörte auch eine neue Apotheke auf der Südseite des Schleusengrabens. Die Genehmigung zum Betrieb der Apotheke hatte Johannes Ottens aus Hopsten (Kreis Steinfurt) erhalten. 1909 konnte er seinen Neubau fertigstellen und die Apotheke eröffnen. 1917 übernahm der Apotheker Karl Disse aus Bigge den Betrieb. Er erwarb im selben Jahr auch das Haus. Auf der folgenden Postkarte ist der prächtige Bau der Apotheke am rechten Bildrand zu sehen (Verlag Heinrich Koch, Essen – Sammlung Ingo Weichelt).

Hochwasser blieb in der Horstermark ein ernstes Problem. Die Gefahr durch Überflutungen konnte über lange Zeit nicht eingedämmt werden, weder durch den Bau des Rhein-Herne-Kanals in den Jahren 1908 bis 1914 noch durch die Kanalisation der Emscher. Eine weitere, schwere Hochwasserkatastrophe ereignete sich am 8. Februar 1946, als zwischen Horst-Süd und Essen-Karnap der Emscherdamm brach. 1.500 Häuser wurden ganz oder teilweise überflutet. Rund 3.500 Menschen waren vorübergehend obdachlos.

Erst mit der vollständigen Regulierung der Emscher und der Installation leistungsstarker Pumpwerke in der Nachkriegszeit konnten die damit verbundenen Gefahren einigermaßen bewältigt werden.

ERHEBLICHE BERGSCHÄDEN

Begünstigt wurden die Überflutungen des Stadtteils durch die erheblichen Bergschäden in der Horst-Süd. Zwischen 1910 und 1950 senkten sich Teile der Horstermark um bis zu zehn Meter. Der Bahndamm und in diesem Zusammenhang auch die Anlagen des Bahnhofs mussten mehrfach gehoben und angepasst werden. Die ursprünglich niveaugleichen Bahnübergänge westlich und östlich des Bahnhofs wurden schließlich durch Straßenunterführungen ersetzt.

An den Horster Schleusengraben erinnert bis heute die Straße „Am Schleusengraben“.