Bereits zwei Jahre nach der Eröffnung der Straßenbahn in Gelsenkirchen wurde in der Innenstadt ein umfassender Umbau der Gleisanlagen notwendig. Zugleich wurde das Netz der Innenstadtstrecken um mehrere Neubaustrecken ergänzt.
Grund dafür waren die Eröffnung der Straßenbahnstrecke nach Wanne am 18. Oktober 1896 und die Inbetriebnahme der Strecke nach Steele am 23. und 25. Oktober 1897.
Als Endstelle hatte man für beide Linien den Neumarkt vorgesehen. Die Wanner Linie nutzte vom Betriebshof aus das bestehende Gleis der aus der Braubauerschaft kommenden Strecke. Die Steeler Linie wurde an der Einmündung der Aah-Strasse in die Schul-Strasse mit dem bestehenden Streckennetz verbunden.
Während die aus Wanne kommenden Straßenbahnzüge bis in die Ausweiche am Neumarkt fuhren und dort wendeten, lag die Endstelle der Steeler Linie anfangs in der Aah-Strasse. Die auf die Endstelle folgende Weiche erlaubte nur die Zufahrt zum Betriebshof.
Die Rangierfahrten auf dem Neumarkt führten schon bald zu erheblichen Verkehrsbehinderungen. Somit musste Siemens & Halske im Einvernehmen mit der Stadt eine bessere Lösung finden.
NEUE INNENSTADTSTRECKEN
Diese bestand darin, die aus der Braubauerschaft und Wanne kommenden Straßenbahnen von der Hoch-Strasse über die Carl-Strasse (seit 1929 „Im Lörenkamp“) zu einer neuen Endstelle in der Kirch-Strasse zu führen. Hier wurde ein Gleiswechsel zum Umsetzen der Fahrzeuge vorgesehen. Die Rückfahrt zur Hoch-Strasse erfolgte über die Neu-Strasse (seit 1945 Gildentraße).
Für die Wattenscheider Linie entstand ein Abzweig von der Bahnhof-Strasse auf die Südseite des Neumarktes. Von hier aus wurde bei der Fahrt in Richtung Schalke die Neubaustrecke in der Neu-Strasse bis zur Hoch-Strasse genutzt. Weiter ging es über die Friedrich-Strasse (heute Hansemannstraße) bis zum Schalker Markt.
Für Verstärkerwagen der Wattenscheider Linie gab es am Neumarkt einen Abzweig zur doppelgleisigen Endstelle in die Kirch-Strasse. In der Gegenrichtung, vom Schalker Markt nach Wattenscheid, blieb die bisherige Streckenführung über die Flora-Strasse, den Alten Markt und die Kreuz-Strasse bestehen.
Die Endstelle der Steeler Linie verblieb weiterhin auf der Westseite der Propsteikirche in der Aah-Strasse.
Am 21. September 1898 wurden die neuen Innenstadtstrecken offiziell in Betrieb genommen. Auf dem Beitragsbild sehen wir einen zur Colonie Pluto in Röhlinghausen ausgeschilderten Verstärkerwagen der Wanner Linie. Die Triebwagennummer 3 wurde vom Retuscheur kunstvoll ergänzt (Verlag Adele Böcker, Gelsenkirchen – Sammlung Volker Bruckmann).
Der folgende Gleisplan dokumentiert die Lage der neuen Gleise. Auch hier erleichtert das hinterlegte Luftbild aus den 1920er-Jahren (© RVR – 1925-1930 – dl-de/by-2-0) die Orientierung.
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NEUE RISIKEN
Am Neumarkt führten die neuen Strecken zu einer Entspannung. Im unübersichtlichen Kreuzungsbereich von Hoch-, Neu- und Friedrich-Strasse entstand demgegenüber ein neuralgischer Unfallpunkt.
Vom Betriebshof Gelsenkirchen in Richtung Steele ausrückende Wagen mussten die Kreuzung im Verlauf der Hoch-Strasse gegen die Fahrtrichtung des Linienverkehrs befahren, um über die südwestliche Hoch-Strasse zur Aah-Strasse zu kommen.
Ob das die Ursache des im folgenden Bild festgehaltenen Unfalls im Kreuzungsbereich der Hoch-, Neu- und Schalker-Strasse war, ist heute nicht mehr feststellbar. Er ereignete sich nach der am 1. April 1903 vollzogenen Eingemeindung von Schalke nach Gelsenkirchen: Die Friedrich-Strasse wurde bereits in Schalker-Strasse umbenannt. Vermutlich wurde der links im Bild erkennbare Triebwagen 94 aus dem Betriebshof geholt, um den Havaristen, der ursprünglich nach Horst fahren sollte, wieder in das Gleis zu ziehen (Foto Max Majer-Finkes, Gelsenkirchen – Institut für Stadtgeschichte Gelsenkirchen).