Anfang der 1960er-Jahre dachte in Gelsenkirchen noch niemand an ein Ende der klassischen Stahlindustrie. Im Gegenteil: Um weiter expandieren zu können, beabsichtigte der Schalker Verein, das Werksgelände über die Wanner Straße hinaus nach Norden zu erweitern.
Anfang der 1960er-Jahre wurden die Wohn- und Geschäftshäuser auf der Nordseite der Wanner Straße abgebrochen. Die dort lebenden Familien wurden im Rahmen eines Neubauprogramms in neue Werkshäuser umgesiedelt. Diese wurden unter anderem an der Bulmker Straße sowie am „Küppershof“ errichtet. Am Ende blieb eine Brachfläche, die wir auf dem nachfolgenden Bild aus dem Archiv des Heimatbundes Gelsenkirchen e.V. gut erkennen können. Noch gut erkennbar ist hier auch der zweigleisige Ausbau der Straßenbahn und die eingleisige Weiterführung an der Werksmauer des Schalker Vereins.
Die Stadt Gelsenkirchen und die Bochum-Gelsenkirchener Straßenbahnen AG konnten sich mit dem Vorhaben des Schalker Vereins arrangieren. Man kam überein, die Wanner Straße und mit ihr die Straßenbahnstrecke nach Norden zu verschwenken. Es war geplant, die Straßenbahn nach dem Neubau der Wanner Straße über die Konradstraße und das in Elfriedenstraße umbenannte Reststück der Wanner Straße auf die alte Trasse zurückzuführen.
Die Bochum-Gelsenkirchener Straßenbahnen AG erklärte sich darüber hinaus bereit, das an die Ausweiche Hüllen angebundene Gelsenkirchener Baulager aufzugeben: Da viele Transportaufgaben inzwischen durch Lastwagen erledigt wurden, wurde das deutlich größere Baulager in Bochum-Hamme auch für den Gelsenkirchener Betrieb als ausreichend angesehen.
ENTSCHEIDUNG GEGEN DIE STRASSENBAHN
Am Ende kam es dann doch anders. Dem Zeitgeist folgend entschied sich das Verkehrsunternehmen, die Straßenbahn durch moderne Omnibusse zu ersetzen.
Am 1. Februar 1963 war es so weit. Die Linie 4 wurde eingestellt und durch die neue Omnibuslinie 40 ersetzt. Anstelle der auf der „4“ zum Schluss eingesetzten zweiachsigen Triebwagen kamen jetzt moderne Gelenkomnibusse der Firma Henschel zum Einsatz.
Nach der Umstellung hielt die Bochum-Gelsenkirchener Straßenbahnen AG für einige Zeit die Option offen, parallel zur neuen Trasse der Wanner Straße eine Neubaustrecke bis zur Konradstraße anzulegen. Als Abschluss sollte auf dem Gelände des ehemaligen Baulagers eine Wendeschleife angelegt werden.
Da die Omnibuslinie 40 von den Fahrgästen gut angenommen wurde, wurden die Pläne zur Reaktivierung der Straßenbahn schon bald aufgegeben. So ist bis heute die Omnibuslinie 40 auf dem östlichen Linienast der ehemaligen Linie 4 unterwegs. Die Endstelle in Wanne-Eickel wurde 1967 vom Hauptbahnhof zum Drosselweg in Herne-Holsterhausen verlegt.
NEUE AUFGABEN
Für die zuletzt nahezu ausschließlich auf der Linie 4 eingesetzten KSW-Straßenbahnwagen wurden nach der Umstellung der Strecke neue Aufgaben gesucht. Die nunmehr im Netz der Bochum-Gelsenkirchener Straßenbahnen AG nicht mehr so viele Beiwagen benötigt wurden, wurden 1946/47 gebauten Beiwagen 300 bis 307 im November 1963 an die Essener Verkehrs AG verkauft (dort Beiwagen 2461 bis 2471). Die 14 verbliebenen Triebwagen (95 bis 98 sowie 100 bis 109) wurden bis 1976 als Einsatzwagen verwendet.
Das Titelbild aus der BOGESTRA-Fotosammlung zeigt den letzten auf der Linie 4 eingesetzten Straßenbahnwagen am 1. Februar 1963 im Betriebshof Gelsenkirchen. Die Bildfolge enthälte weitere Eindrücke vom letzten Tag der „4“ sowie vom ersten Tag der Omnibuslinie 40.