Die Verbindung von Gelsenkirchen nach Wanne-Eickel war für das Gelsenkirchener Netz der Bochum-Gelsenkirchener Straßenbahnen AG strategisch wichtig. In Bulmke und Hüllen, aber auch in Röhlinghausen und Bickern war der Bau weiterer Wohnsiedlungen absehbar.
Das Wachstum der Stadt ließ sich vor allem im Verlauf der Wanner-Strasse beobachten. Rund um die am 8. Dezember 1901 geweihte katholische Pfarrkirche Heilige Familie an der Ecke Hohenzollern- und Wanner-Strasse war ein kleines Geschäftszentrum entstanden. Dazu gehörte das Kaufhaus von Josef Bukofzer an der Wanner-Strasse 67, das wir in diesem Kapitel auf dem Beitragsbild sehen. Der sehr schöne, aber in Gelsenkirchen fremde Straßenbahnwagen wurde im Auftrag des lokalen Postkartenverlages Heinrich Cordes in das Motiv hineinmontiert (Sammlung Volker Bruckmann).
Direkt gegenüber lag die „Tankstelle“ von H. Wiele, in der man nach der Sonntagsmesse einen Frühschoppen zu sich nehmen konnte (Kunstanstalt Hermann Lorch, Dortmund – Sammlung Volker Bruckmann):
150 FAHRTEN PRO TAG
1907, als Ferdinand Schöningh die Daten für seine Promotion über die Kleinbahnen des rheinisch-westfälischen Kohlereviers zusammenstellte, wurden auf der Linie 3 täglich 150 Fahrten angeboten. Nach der Wattenscheider Linie (180 Fahrten am Tag) war das Platz 2.
Trotzdem blieb das Fahrgastaufkommen geringer als bei anderen Linien: Mit 1.666.807 Beförderungsfällen lag die „3“ im Gelsenkirchener Netz hinter den Verbindungen nach Wattenscheid, Buer (über Bismarck) und Steele auf Platz 4. An fünfter Stelle folgte die Verbindung über Heßler nach Horst, auf dem letzten Platz lag der „Inselbetrieb“ zwischen Steele und Rellinghausen.
Schöninghs Recherchen weisen auf ein weiteres Detail hin: Die meisten Monatskarten wurden 1907 auf der Linie 3 für kurze Distanzen verkauft: vom Gelsenkirchener Stadtzentrum für die Tarifstrecken, für die ein Einzelfahrschein 10 oder 15 Pfennig betrug. Das entsprach einer Entfernung von maximal 2,25 Kilometer (10 Pfennig) oder 3,3 Kilometer (15 Pfennig).
Schöningh hielt weiterhin fest, dass die Entfernung vom wirtschaftlichen Zentrum Gelsenkirchens zum Weichbild auf der Wanner Strecke bei lediglich einem Kilometer lag (verglichen mit 2,6 Kilometern auf der Strecke nach Bismarck und Buer).
GROSSE SCHWANKUNGEN
Daraus lässt sich der Schluss ableiten, dass die Straßenbahnen auf der Linie 3 zwischen Hüllen und der Endstelle in Wanne-Eickel tagsüber meist nur mit wenigen Fahrgästen unterwegs waren. Die Frequenz unterlag allerdings im Tagesverlauf großen Schwankungen. Ein Grund dafür, dass den Triebwagen zu besonders verkehrsreichen Zeiten bis zu zwei Beiwagen mitgegeben werden mussten.
Eine solche Situation zeigt ein Bulmker Motiv aus den frühen 1920er-Jahren (Verlag Gebrüder Moonen, Bocholt – Sammlung Ludwig Schönefeld). Zwei Straßenbahnzüge der Linie 3 kreuzen in der Ausweiche Bulmke zwischen der im Vordergrund rechts sichtbaren heutigen Hochofenstraße und dem im Hintergrund erkennbaren jüdischen Friedhof an der Oskarstraße. Der in Richtung Wanne fahrende Zug (rechts) führt den Beiwagen 315 mit. Er stammt aus einer zwischen 1895 und 1897 gebauten Großserie (Beiwagen 142 bis 155). Die Nummer 315 erhielt er 1912.