ÜBERBLICK

Anfang des 19. Jahrhunderts war die Postkutsche das einzige öffentliche Verkehrsmittel im mittleren Ruhrgebiet. Sie fuhr seit 1803 von Essen über den Hellweg nach Bochum. 1838 wurde eine Zweiglinie der Personenpost nach Wattenscheid eröffnet, die 1863 bis Gelsenkirchen verlängert wurde.

Die Mitte des 19. Jahrhunderts beginnende Industrialisierung im Raum Gelsenkirchen veränderte das Bild der zuvor agrarisch geprägten Region nachhaltig.

Seit 1847 erschloss die Cöln-Mindener Eisenbahn das Tal der Emscher. Mit ihr siedelten sich zahlreiche Bergbauunternehmen im Emschertal an. Die Zechen hatten einen großen Bedarf an Arbeitskräften. Aus dem Dorf Gelsenkirchen, das ursprünglich zum Amt Wattenscheid gehörte und bereits seit 1868 ein selbständiger Amtsbezirk war, wuchs eine neue Stadt heran. 1875 wurden dem Amt die Stadtrechte verliehen. Durch die Zusammenlegung mit den Ämtern Schalke, Bismarck (bis 1900 Braubauerschaft) und Ückendorf entstand 1903 die junge Großstadt Gelsenkirchen.

Der Cöln-Mindener-Eisenbahn folgte 1867 die Rheinische Bahn. Ihr Bahnhof lag im Süden des Stadtgebietes, an der heutigen Stadtgrenze zwischen Gelsenkirchen und Bochum. 1869 folgte eine Verbindung nach Wanne, 1874 eine Strecke vom Bahnhof „Wattenscheid Rheinisch“ (ab 1907 „Gelsenkirchen-Wattenscheid“) nach Bochum.

Die Bergisch-Märkische Eisenbahn eröffnete 1871 eine Strecke von Schalke nach Wanne. 1873 folgte eine Verbindung nach Sterkrade (Emschertalbahn). Schalke-Nord wurde 1874 mit Altenessen, Katernberg und Heßler, 1876 mit Bismarck und Herne verbunden.

HARTE KONKURRENZ

An einer Zusammenarbeit waren die Eisenbahngesellschaften anfangs nicht interessiert. Die Bahnlinien verliefen im Abstand von wenigen Kilometern parallel durch die Städte. Vor allem aber fehlte eine Nord-Süd-Verbindung zwischen Gelsenkirchen, Wattenscheid und Bochum.

Kaufleute und Fuhrunternehmer erkannten das sehr bald. Sie richteten erste Linienverkehre mit Pferdeomnibussen ein. Es gab Verbindungen zwischen den Gelsenkirchener Bahnhöfen sowie eine Linie über Wattenscheid nach Bochum.

Auf den schlecht befestigten Straßen war der Pferdeomnibus allerdings alles andere als bequem. Zudem bot er nur wenigen Personen Platz. Für viele waren die Fahrpreise zu hoch. Der größte Teil der Gelsenkirchener Bürger musste folglich auf diesen Luxus verzichten.

Eine Alternative für den effizienten, bequemen und kostengünstigen Transport von deutlich mehr Fahrgästen waren schienengeführte Verkehrsmittel. Auch in Gelsenkirchen bemühten sich Kaufleute und Ingenieure um den Bau einer Pferdebahn.

Da das neue Verkehrsmittel die Straßen mitbenutzen sollte, benötigten die lnvestoren eine Zustimmung der Gemeinden, die sogenannten „Conzession“. Für die Benutzung der Provinzialstraßen war die Genehmigung der Provinzialbehörde nötig. Bahnlinien durften nur mit der Zustimmung des Ministeriums für öffentliche Arbeiten in Berlin gekreuzt werden.

Vor allem die letztgenannte Behörde verhinderte im werdenden Ruhrgebiet über lange Zeit die Straßenbahnprojekte: Mit Rücksicht auf die Eisenbahngesellschaften, die befürchteten, Privilegien und Kunden zu verlieren, wurden Kreuzungen der geplanten Straßenbahnen mit Eisenbahnstrecken nicht genehmigt.